Montag, 5. November 2012

Das Fenster zur Welt

50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil


„Was wäre wohl, wenn es das Zweite Vatikanische Konzil nicht gegeben hätte? und wo wäre die Kirche denn heute?“, so die berechtigte Frage eines interessierten Teilnehmers beim monatlichen Gespräch vom „forum thomas“ in Göppingen St. Maria. Die Einschätzungen über den Erfolg können nicht gegensätzlicher sein - für die einen zeigte sich eine weltoffene, den Problemen der Zeit zugewandte Kirche, für die anderen der Eckpunkt einer kirchlichen Anbiederung an den Zeitgeist und eine freiwillige Aufgabe von Glaubenstradition. Ganz gleich zu welcher Einschätzung man kommt, das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965), das Papst Johannes XXIII. vor 50 Jahren, am 11.Okt. 1962, feierlich eröffnete, zählt jedenfalls zu den bedeutendsten kirchlichen Ereignissen des 20. Jahrhunderts. Der Zeitzeuge Pfr.i.R. Jürgen Mühlbacher, vormals Dekan und Klinikseelsorger, zeigte auf, wie das Konzil zustande kam. So sorgte sich der Papst „um die Zukunft seiner Kirche“, er spürte, „diese Kirche passt nicht mehr so richtig zur modernen Welt“. Sein Ziel war es „die Kirche wieder in die Gegenwart zu holen und sie den Menschen von heute wieder zugänglich zu machen“. Das Konzil soll, so will es Johannes der XXIII, nicht wie früher Lehrsätze aufstellen oder falsche Meinungen verurteilen, sondern „als Pastoralkonzil sich um eine passende Verkündigung des Glaubens in der heutigen Welt kümmern“. Bis es zum Endergebnis der insgesamt 16 Konzilsdokumente in Form von Erklärungen, Dekreten und Konstitutionen kam, mussten etliche Ungereimtheiten, Hindernisse und Klippen überwunden werden. Denn es gab nicht nur „Verstehens-Probleme“, sondern auch regelrechte Blockaden, Irritationen, Versuche zu bremsen und mehr, weiß Mühlbacher. Am 8.12.1965 war es dann soweit, mit einem feierlichen Gottesdienst auf dem Petersplatz wurde das Zweite Vatikanische Konzil beendet. In der Zwischenzeit starb Johannes der XXIII. und der neue Papst Paul VI führte das Konzil weiter. Einer der wichtigsten Sätze in „Gaudium et spes“, der sogenannten „Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute“, lautet: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände". Bei aller positiven Würdigung ist festzuhalten, so der Referent: „Es gibt noch manches zu klären, so das Verhältnis von Welt- und Ortskirche, die Reform der römischen Kurie, das Verhältnis von Papst und Bischöfen, die wenig durchsichtige Praxis der Bischofsernennungen, das Verhältnis von Priestern und Laien und die Situation der Frauen in der Kirche. Abschließend gibt Mühlbacher seine persönliche Einschätzung wieder: "Vor allem aber bedrängt weit über die Kirche hinaus viele Menschen die große Not, wie man angesichts heutiger Welterfahrung, bei all dem rasanten Erkenntnisgewinn der Wissenschaften, noch an Gott glauben kann“.
Felix Müller, Dekanatsreferent

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